Mentale Stärke
Zeit für Entspannung: Wie Meditation das Golfspiel beeinflusst
27. Mai 2022 , Felix Grewe
Immer mehr Menschen meditieren – auch Golfprofis und andere Spitzensportler. Was bringt das Geistestraining für das Spiel?
Wer regelmäßig meditiert, soll gelassener und gesünder leben. Der Blick in die Innenwelt verspricht unter anderem einen entspannten Umgang mit Stress – und der ist laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) „die Seuche des 21. Jahrhunderts“. Meditation führe zu einer höheren Belastbarkeit, heißt es, zu mehr innerer Ruhe, gesteigerter Kreativität und einer besseren Konzentrationsfähigkeit. Die Forschung belegt sogar, dass sich das Meditieren auch auf diverse Erkrankungen auswirken kann – etwa auf Angstzustände, Depressionen und sogar auf Entzündungsprozesse des Körpers. Einige moderne Unternehmen, zum Beispiel Konzerne wie Google oder SAP, bieten ihren Mitarbeitern die tägliche Dosis Geistestraining als Möglichkeit der Pausengestaltung an – quasi als Gegenpol zur stetig steigenden Belastung durch die digitalen Welten.
25 Prozent der Deutschen nutzen Meditations-Apps
Das Abtauchen ins Unterbewusste, das vor Jahren und Jahrzehnten noch als esoterischer Hippiekram abgetan wurde, ist längst wissenschaftlich fundiert. Studien zeigen unter anderem, dass Meditation das vegetative Nervensystem stimuliert und entspannt, was grundsätzlich eine heilende und regenerative Wirkung verspricht. Sogar einige Krankenkassen bezuschussen deshalb Meditationskurse. Laut Statista, einem der führenden Anbieter für Markt- und Konsumentendaten, nutzt rund ein Viertel der Deutschen Meditations-Apps, die den Nutzer zwar wieder ans Smartphone koppeln (irgendwie absurd...), jedoch eine enorme Bandbreite geführter Meditationen anbieten. In Indien sind es sogar 40 Prozent der Bevölkerung, die eine solche Anwendung auf ihr Handy geladen haben.
Was bewirkt Meditation für das Golfspiel?
Ob das Meditieren Sie zu einem besseren Golfer macht, ist bisher schwierig zu belegen. Schon deshalb, weil die Meditation kaum quantifizierbar ist, schon gar nicht über einen kurzen Zeitraum – anders als beispielsweise die Wirkung von Alkohol oder ähnlichen Substanzen. Klar ist trotzdem: Eine positive Auswirkung einer langfristigen Meditationspraxis auf das Golfspiel erscheint nicht nur plausibel, sondern ausgesprochen naheliegend.
Die meisten Golfer stehen unter einer mentalen Anspannung. Der Druck ist für viele immens, oft über eine gesamte Runde von mehr als vier Stunden hinweg. Angst vor verzogenen Schlägen, verkorksten Putts, falschen Entscheidungen und spöttischen Kommentaren der Flightpartner sorgen ebenso für eine hohe mentale Belastung wie der Frust über die eigenen Unzulänglichkeiten. Dieselben Einflüsse, die uns im Alltag gern das Gefühl suggerieren, überfordert und dem Leben nicht mehr gewachsen zu sein, wirken auch auf das Golfspiel. Die Akzeptanz der eigenen Leistungen oder die Furcht vor dem Versagen, stellen nahezu jeden Spieler vor die Herausforderung, die quälende Stimme zwischen den Ohren zu beruhigen.
Weniger Platz für Gedanken
„Ängste lähmen die Handlungsfähigkeit“, erklärt US-Coachinglegende Timothy Gallwey, Autor des Klassikers Inner Game Golf. „Nur bei voller Konzentration ist kein Platz für Ängste und Zweifel. Wenn wir unseren Handlungen die komplette Aufmerksamkeit schenken, können wir all unsere Ressourcen effektiv nutzen.“ Soll heißen: weniger nachdenken und mehr fließen lassen – den Schwung und das gesamte Spiel. Meditation, so viel ist sicher, kann diese Fähigkeit unterstützen. Sie kann ablenkende Störungen reduzieren und so dazu beitragen, das spielerische Potenzial besser auszuschöpfen.
Wie Mickelson die Fokussierung trainiert
Auch viele Golfprofis versprechen sich von der inneren Einkehr bessere Leistungen. Einer von ihnen ist Phil Mickelson. Als er 2021 die PGA Championship gewann, sprach er über die Herausforderung der stetigen Fokussierung auf der Golfrunde – und wie die Meditation ihm dabei behilflich ist. „Ich mache einfach immer mehr Fortschritte, indem ich versuche, meinen Fokus zu verlängern", sagte er. "Ich versuche, 36 oder 45 Löcher an einem Tag zu spielen und mich auf jeden Schlag zu konzentrieren, so dass es sich, wenn ich rausgehe und 18 Löcher spiele, nicht mehr so viel anfühlt. Ich könnte versuchen, die Zeit, in der ich meditiere, zu verlängern, aber ich versuche, meinen Geist wie einen Muskel zu benutzen und ihn einfach zu erweitern, denn je älter ich werde, desto schwieriger wird es für mich, einen scharfen Fokus zu behalten, eine gute Visualisierung zu haben und den Schlag vor dem geistigen Auge zu sehen.“
Meditation im Spitzensport verbreitet
Die meisten Spitzensportler aller Disziplinen praktizieren eine Form der mentalen Konditionierung – bei vielen spielt die Meditation eine wichtige Rolle. Tennisstar Novak Djokovic spricht schon seit vielen Jahren offen über die Bedeutung des Meditierens für seinen Erfolg. In seinem Buch „Serve to Win“ beschreibt er die Auswirkungen seiner täglichen Routine folgendermaßen: „Durch meine Meditationsübungen funktioniert mein Gehirn inzwischen automatisch besser, auch wenn ich nicht meditiere. Früher erstarrte ich förmlich, wenn ich einen Fehler machte. Wenn ich heute einen Aufschlag oder eine Rückhand vermassele, kommen die Selbstzweifel immer noch kurz hoch, aber ich weiß jetzt, wie ich mit ihnen umgehen muss: Ich nehme die negativen Gedanken zur Kenntnis, lasse sie los und konzentriere mich auf den Augenblick. Diese Achtsamkeit hilft mir auch beim Umgang mit Schmerzen und Emotionen. Sie hilft mir, mich auf das wirklich Wichtige zu konzentrieren und meine Gedanken leiser zu stellen.“, schreibt der Serbe, der so lange wie kein anderer Spieler die Tennis-Weltrangliste anführte.
Meditieren soll das Chaos im Kopf beruhigen. Die meisten Experten empfehlen, bis zu zwei Mal 20 Minuten am Tag zu meditieren, halten jedoch auch fest: Am Anfang seien bereits fünf Minuten täglich hilfreich. Gerade einmal 300 Sekunden also, die die geistige Fitness ausbauen, die Konzentrationsfähigkeit erhöhen und den Umgang mit Druck und Stress verbessern sollen. Dem Golfspiel sollte das nicht schaden.