Hurly Long

„Man muss ehrlich zu sich selbst sein“


2. Juni 2022 , Felix Grewe


Hat große Ziele im Blick: Hurly Long.
Hat große Ziele im Blick: Hurly Long. | © golfsupport.nl

Am Rande der Porsche European Open traf Golf.de Hurly Long zum Interview. Ein Gespräch über sein erstes Jahr auf der DP World Tour, seine Ziele, mentales Training, Tiger Woods und Will Smith.

Berühmt wurde er bereits als College-Spieler, als er mit einer 61er-Runde in Pebble Beach den Platzrekord knackte. 2019 wurde er Profi, rauschte in seinem ersten Jahr durch die Pro Golf Tour, überzeugte dann auf der Challenge Tour, fuhr für Deutschland zu den Olympischen Spielen nach Tokio und spielt seit Anfang des Jahres auf der DP World Tour. Ein steiler Aufstieg, der für Hurly Long nur eine Zwischenstation auf dem Weg zu noch Größerem sein soll. Ein Treffen mit dem 26-Jährigen am Rande der Porsche European Open in Winsen, südlich von Hamburg. Er ist entspannt, wirkt aufgeräumt, reflektiert und reifer als sein junges Alter vermuten lässt. Wir duzen uns. Zehn Minuten geben uns die Organisatoren für den Talk – dann muss der deutsche Shootingstar weiter. Lang genug für spannende Eindrücke aus dem Leben des Mannheimers...  
 

Hurly, sind Interviews inzwischen schon eine lästige Pflicht für dich oder erzählst du gern von dir?  

Ich würde es nicht so formulieren, dass ich gern über mich spreche. Aber ich versuche stets, alle Fragen so ehrlich wie möglich zu beantworten. Wenn es die Leute interessiert, ist es toll. Interviews sind nicht lästig, ich mache das gern. 

Dein Aufstieg in den vergangenen Jahren war rasant. Hat er dich selbst überrascht?

Es fühlt sich sehr gut an. Als ich früher bei European Tour-Events vor Ort war, war das Flair der Wahnsinn für mich. Jetzt stecke ich mittendrin und stelle fest: Das sind ganz normale Leute hier. Auf der Runde bekomme ich nichts von dieser Atmosphäre mit. Dass Tausende Menschen vor den Fernsehern sitzen und zuschauen, bemerke ich nicht. Nicht einmal die Kameras registriere ich. Ich spiel einfach Golf – wie schon immer.

Was ist der größte Unterschied zwischen Challenge Tour und DP World Tour?

Die Spieler hier sind besser, keine Frage. In den Players Lounges gibt es fantastisches Essen, das ist sehr gut (lacht). Nein, im Ernst: Das Essen ist wirklich wichtig. Wir sind so viel unterwegs. Sich gut ernähren zu können, ist von großer Bedeutung für das Spiel. Natürlich sind auch die meisten Plätze super. Es macht einfach viel mehr Spaß.

Fühlst du dich unter Druck?

Der Mensch ist ein Gewohnheitstier und alles im Leben ist relativ. Als ich Amateur-Golf spielte, war ich beim ersten Turnier auf der Pro Golf Tour nervös, klar. Nach ein paar Erfahrungen legte sich das. Es wurde zur Norm. So war auch auf der Challenge Tour und so ist es jetzt auf der DP World Tour.

Bist du stolz auf das, was du bisher erreicht hast?

Ja, durchaus. Aber ich formuliere das in der Regel nicht so. Wenn ich etwas gut mache, gestehe ich mir das natürlich ein. Aber ich kommuniziere es nicht so offensiv.  

Weil das Gefühl von Stolz auch eine gefährliche Zufriedenheit suggerieren kann, die dazu führt, dass der Hunger nach mehr nachlässt?

Genau. In erster Linie ist es schön, wenn etwas, was man sein Leben lang schon immer machen wollte, tagtäglich tun kann. Aber für mich steht fest: Ich will jeden Tag besser werden, so gut spielen wie möglich und meine Zeit genießen. 

Was sind deine drei größten Ziele als Golfer?

(Hurly lehnt sich zurück, klopft mit den Fingern auf den Tisch und überlegt...) Ich möchte hier auf der Tour gewinnen, ganz klar. Ich will ein Major gewinnen, am liebsten das Masters oder die US Open. Und ich möchte gern die Nummer eins der Welt werden. 

Du hast Tiger Woods einmal ein Vorbild genannt. Habt ihr euch schon getroffen?

Nein, leider noch nie. 

Was würdest du ihn fragen, wenn du könntest? 

Kommt drauf an, wie viel Zeit ich bekomme? Mit einer Frage kann ich nicht viel herausfinden...

Nehmen wir an, ihr habt ein paar Minuten...

Mir ist der mentale Bereich im Golf sehr wichtig. Da könnte ich bestimmt eine Menge von ihm lernen. Ich würde ihn zu seinem Training befragen: Wie fokussiert ist er in seinen Einheiten? Wie hoch ist die Intensität? Ich habe festgestellt: Wenn man es ideal macht, sollte man im Training ähnlich fokussiert sein wie im Turnier. Weil es einem dann eine bessere Vorbereitung garantiert. Ich weiß, dass Tiger das auch lange so gemacht hat. Aber ich meine zu wissen, dass seine unglaublichen Erfolge auch daraus resultieren, dass er in so vielen Bereichen so überragend gut ist. Es gibt bei ihm nicht nur ein oder zwei Aspekte, die er beherrscht, sondern so viele mehr.

Du hast am Rande des British Masters über die Bedeutung von Konzentration und Fokussierung gesprochen. Welchen Stellenwert haben die Bereiche in deiner Karriere?

Einen großen! Als ich Profi wurde, überlegte ich mir: Du brauchst einen Vorteil im Wettkampf. Sam Foos (Vater von Dominic Foos, Anm. d. Red.) hat immer gesagt, Golf sei eine Frage der mentalen Stärke. Ich habe ihm stets recht gegeben. Natürlich muss man technisch gut sein. Aber der Kopf ist so wichtig. Ein Beispiel: Ich treffe drei Wochen lang keinen Ball sauber, fühle mich mental schwach. Dann fallen auf einer Runde zwei schwierige Putts hintereinander – und am nächsten Abschlag haue ich einen Wahnsinns-Drive raus. Warum gelingt mir das? Weil die Putts zuvor gefallen sind und mein Selbstvertrauen plötzlich wieder da ist. Bei mir war es bisher meistens so: Wenn ich einen Putt zum Sieg vor mir hatte, habe ich ihn fast immer gelocht. Weil ich die positiven Gefühle konservieren kann, um sie bei so vielen Schlägen wie möglich abzurufen. Dieser Zustand ist kein Glück, sondern eine Frage der richtigen Fokussierung und Gedanken.

Wie gelingt es dir, deine Konzentration in schwierigen Phasen zu bewahren? 

Wenn ich auf der Runde bin, schließe ich vor jedem Schlag meine Augen. Ich versuche mich, in eine Art meditativen Zustand zu bringen. Es geht darum, so unterbewusst wie möglich Golf zu spielen, weil das Unterbewusstsein viel stärker ist als das Bewusstsein. Wenn ich am Ball stehe und über ein Fußballspiel nachdenke, kann ich nicht erwarten, dass ich einen guten Schlag mache – weil die Fokussierung fehlt. 

Was lässt sich auf dem Golfplatz über das Leben lernen?

Oh, es gibt so viele Parallelen zwischen Golf und anderen Bereichen des Lebens. Erfolgreich im Leben zu sein, erfordert ähnliche Voraussetzungen wie ein erfolgreiches Golfspiel. Man muss sich selbst genau kennen und wirklich 100 Prozent ehrlich zu sich selbst sein. Wenn man sich selbst reflektiert, wird man besser. So ist es auch mit dem Glück im Leben, glaube ich. Wenn man analysiert, was gut läuft und was nicht, dann sind Veränderungen und Verbesserungen möglich. Aber dafür darf man sich selbst nichts vormachen. 

Hast du etwas über dich gelernt, was dich überrascht hat?

(Hurly klopft wieder auf den Tisch...) Oh, gute Frage... (lacht). Weiß ich jetzt nicht, darüber müsste ich länger nachdenken. 

Sind Golfspieler besonders widerstandsfähige Menschen, weil sie es gewohnt sind, mit Drucksituationen umzugehen?

Ja, man muss stark und vor allem mutig sein. Jeder kennt die Angst vor schlechten Schlägen – die muss man sich eingestehen. Und es ist nicht schlimm! Die entscheidende Frage ist: Schwinge ich trotzdem mutig durch oder schwinge ich wie ein Angsthase? Wenn ich die Angst überwinde, dann kann ich auch unter Druck stark spielen. 

Wer inspiriert dich bei diesen Themen?

Tiger natürlich, aber ich habe auch viel von Tony Robbins (amerikanischer Autor und Life Coach, Anm. d. Red.) über das Leben gelernt. 

Liest du viel?

Ich sollte mehr lesen (lacht). Bisher habe ich meine Informationen meistens über YouTube-Videos bekommen. Obwohl ich eigentlich gern lese. 

Stimmt es, dass du für Will Smith schwärmst? 

Ja, er ein super Typ (lacht). Einfach cool, authentisch, selbstbewusst, lustig. Rapper und Schauspieler halt – er hat eine tolle Ausstrahlung, finde ich. 

Wenn wir uns in fünf Jahren wiedertreffen – worüber sprechen wir dann?

Das liegt auch an dir... (lacht)

Worüber könnte ich dann mit dir sprechen?

Hoffentlich über mein gutes Spiel. Ich habe hohe Ziele. Es klingt klischeehaft, aber ich versuche, das zu kontrollieren, was ich kontrollieren kann. Und dann schaue ich, wohin die Reise geht. 
 

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